Love, Peace & Harmony - reicht das?

Ein weit verbreiteter Glaubenssatz eines spirituell geführten Lebens besteht darin, dass wir allem und jedem in Liebe begegnen sollen. Tun wir das nicht, hat das mit unseren eigenen unerlösten Anteilen zu tun, die noch nicht in der Liebe angekommen sind. Doch auch jene unter uns, die sich nicht mit Spiritualität befassen, geraten immer wieder in (Selbst-) Konflikte, wenn es darum geht, sich mit der Bandbreite ihrer Gefühle auseinander zu setzen. Bloß nicht allzu traurig sein! Bloß nicht hängen lassen!Keep smiling!

 

Ich persönlich verneine all das nicht, doch spüre ich auch, dass das nur eine Seite der Medaille sein kann.

 

Schon in den jungen Jahren unseres Lebens wird uns beigebracht, dass wir unsere „negativen“ Gefühle zu unterdrücken haben. Wut und Trauer sind nicht gerne gesehen, so dass uns automatisch suggeriert wird, dass diese Gefühle etwas schlechtes und daher unberechtigt seien.

 

Dieser Irrglaube beginnt bereits bei ganz banalen Kleinigkeiten, wenn etwa ein Kind stürzt und vor Schmerz und Schreck laut zu weinen beginnt. Die erste Reaktion der Erwachsenen besteht oftmals darin, diese Emotionen schnell wegwischen zu wollen. Die Aussagen „Nicht weinen!“, „Alles ist gut!“ und „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“ sind hierfür hervorragende Beispiele. 

 

Doch was genau macht das mit uns, wenn wir nicht mehr sein dürfen, was wir doch offensichtlich fühlen? Was wird ein Kind zu lernen beginnen, wenn ihm Tränen und Geschrei als Ausdruck seiner Gefühle abgesprochen werden? 

 

Wut und Trauer sind so natürlich, wie Freude und Zuversicht. Sie zählen zu unseren Grundbedürfnissen und sind deshalb so überlebensnotwendig wie die Luft zum Atmen. Hass und Depressionen sind die Beweise dafür, was geschieht, wenn wir diese Grundbedürfnisse systematisch unterdrücken bzw. von uns abweisen.

 

Indem wir durch unser Umfeld die (non)verbale Botschaft erhalten, dass die Gefühle von Wut und Trauer nicht da sein dürfen, sind wir unwillkürlich dazu geneigt, sie von uns abschneiden zu wollen. Schließlich streben wir von Natur aus nach Zugehörigkeit und Einheit. Die Angst, von unseren Bezugspersonen abgelehnt zu werden, ist so mächtig, dass wir als Kind gar keine andere Wahl haben, als uns ihren Vorstellungen von „richtig“ und „falsch“ zu neigen.

 

Wie fatal diese Verleumdung sein kann, zeigt sich dann oftmals erst einige Jahrzehnte später, wenn wir uns eher unbewusst als bewusst in Beziehungen begeben, die uns in diesem erhalten Glauben über unsere eigenen „unberechtigten“ Bedürfnisse bestärken.

 

„Was darf ich überhaupt noch fühlen? Wie kann ich all meine Emotionen zulassen, ohne dabei von meinem Umfeld zurückgewiesen zu werden? Sind meine Bedürfnisse überhaupt berechtigt?“ 

 

Solange ich bei meinen Mitmenschen das Zugeständnis meiner eigenen Gefühle suche, werde ich immer wieder die Bestätigung dafür erhalten, dass diese Gefühle unberechtigt seien. Warum? Ganz einfach: Weil es ihnen ganz genau so wie mir ergeht. Auch meine Mitmenschen haben den natürlichen Zugang zu ihren Bedürfnissen verloren, so dass sie gar nicht anders können, als mir meine eigenen abzusprechen und gleichzeitig ihre eigenen „unberechtigten“ und deshalb unerfüllten Bedürfnisse unbewusst auf mich zu projizieren

 

Diese sich gegenseitig bedingenden Prozesse finden wir alltägliche in jederlei Form von Beziehung. Und da das Streben nach Harmonie ebenfalls zu unseren Grundbedürfnissen gehört, erscheint es schier unmöglich, aus diesem Teufelskreis auszusteigen: Ich stelle meine eigenen Bedürfnisse zurück, um die Bedürfnisse meines Gegenübers zu befriedigen, der selbst noch nicht mal wirklich weiß, worin diese bestehen geschweige denn, wie sie zu erfüllen sind. Du bemerkst den Widerspruch?

 

Um nun zurück zum Anfang dieses Beitrages zu kehren: Meine ich also, dass es gar nicht möglich sei, alles und jedem in Liebe zu begegnen? Meine ich, dass es gar nicht stimmt, dass es mit unseren eigenen ungelösten Anteilen zu tun hat, wenn wir etwas oder jemanden nicht in Liebe entgegen treten können? Gehe ich davon aus, dass es besser sei, unserer Wut und Trauer unbeirrt nachzugeben? 

 

Kurzum: Nein. Ich meine viel eher, dass das weit verbreitete Konzept von „Liebe“ uns davon abhält, allem und jedem in wahrhaftiger Liebe zu begegnen. Ich meine, dass uns die Fehlinterpretationen von „Liebe“ darin bestärken, unseren „negativen“ Emotionen entweder blind nachzugeben oder sie zu unterdrücken und sie dadurch umso tiefer in uns zu integrieren.

 

Ein anderes Wort für „Liebe“ ist „Freiheit“. Ein weiteres Synonym für „Liebe“ ist „Akzeptanz“. 

 

Wenn ich beginne zu akzeptieren, dass Wut und Trauer zu mir gehören, bin ich frei. Wenn ich mich traue, ihnen den Platz in mir einzuräumen, den sie verdienen, akzeptiere ich mich selbst. 

 

Übersetzt heißt das also: Wenn ich beginne zu lieben, dass Wut und Trauer zu mir gehören, bin ich Liebe. Wenn ich mich traue, ihnen in mir den Platz einzuräumen, den sie verdienen, liebe ich mich selbst. 

 

Das einzige, was mich von der wahrhaftigen Liebe abhält, ist die Angst davor, dass alles was ich bin, nicht berechtigt sei. Diese Angst bezieht sich übrigens nicht nur auf unsere Schattenseiten. Sie betrifft ebenso einen Großteil unserer „positiven“ Bedürfnisse, wie etwa das Streben nach Zugehörigkeit und Akzeptanz. Die Wurzel dieser Verwirrung findet sich in einer grundlegenden früh angelegten Suggestion von „richtig“ und „falsch“ wieder, welche wiederum das Resultat der unbefriedigten Bedürfnisse jener sind, die uns dieses Konzept meist unbewusst suggeriert haben.

 

Eine reine Emotion kann aber niemals richtig oder falsch sein. Sie kann einfach nur sein. Punkt. Auch wenn es uns oftmals schwer fällt, aus der Bewertung auszusteigen, werden wir feststellen, dass wir erst dann vollkommen sein können, wenn wir vom „Darf-Das-Sein?“ die ersten beiden Worte und das Fragezeichen wegnehmen, um uns somit dem „Sein“ in Freiheit und Akzeptanz hinzugeben. 

 

In diesem Sinne wünsche ich Dir, dass Duden Mut aufbringst, im Feuermeer Deiner Gefühle stehen zu bleiben. Es wird heiß werden und schmerzhaft sein, sei Dir dessen sicher. Und ja, Du darfst Dich darauf freuen, was passieren wird, wenn du das Brennen ohne jeglichen Widerstand in Form von Bewertung zulässt.

 

Liebe, Wut und Trauer werden dann nicht mehr etwas voneinander getrenntes, sondern EINS-SEIN und dich in deiner Vollkommenheit ankommen lassen. 

 

Von Herzen, Sofia