„Im Bann des Übersinnlichen“ - über Klischees und reale Gefahren

Schon seit längerer Zeit verspüre ich das Bedürfnis, über dieses Thema zu schreiben, doch erst die Fernsehsendung „Nachtcafé“ vom 22.04.16 im SWR hat mir den ausschlaggebenden Ruck verpasst, nun endlich in Worte zu fassen, was ich immer wieder beobachte.

 

Der Titel der Talkrunde „Im Bann des Übersinnlichen“ impliziert im Grunde schon die vorhandene Problematik, welche die Überschrift dieses Blogeintrages präzisieren soll.

 

Und auch die vollen 1 ½ h Sendezeit wurden sowohl ihrem Titel als auch meiner Überschrift durch und durch gerecht.

 

Man nehme eine an der „Spiritualität“ (oder vielleicht doch „Esoterik“?) gescheiterte, enttäuscht wirkende reife Dame, einen langbärtigen Waldgeist-Seher, zwei Psychologen (von denen einer bereits den „Bann“ und somit die „Gefahr“ des „Übersinnlichen“ am eigenen Leib erfuhr), eine weitere ältere Dame, die sich von einem Zahnarzt und vermeintlichen Heiler ein Loch in der Größe einer 1 Euro Münze in den Kiefer hat bohren lassen und schließlich noch eine Frau jüngeren Alters, die sich aus einer zerstörerischen Sekte befreien konnte – et voilà: Klischee erfüllt!

Mein Beitrag soll nicht als Gegenanzeige dieser Gesprächsrunde fungieren, jedoch möchte ich mich zur Einführung meines eigentlichen Anliegens gerne darauf beziehen, um die Quintessenz dieses recht umstrittenen Themas anschaulicher herausarbeiten zu können. 

 

In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass ich nicht auf diese Welt gekommen bin, um die Menschen von irgendetwas zu überzeugen, woran sie sowieso nicht glauben wollen. Mittlerweile ist es viel eher so, dass ich mit meiner Lebensweise an die Öffentlichkeit gehe und jedem die freie Wahl lasse, sich damit zu identifizieren oder eben nicht.

 

Ich lege dabei stets Wert darauf, meine Anschauungen möglichst neutral zu schildern und mir kontroverse Meinungen respektvoll und reflektiert anzuhören, ohne dabei in die Falle der Bewertung zu treten. Objektivität und Anstand vor dem Weltbild anderer Menschen sind mir dabei treue Begleiter.

 

Vielleicht war es ein bisschen zu viel erwartet, dass ich annahm, eine doch recht seriös wirkende Fernsehsendung wie das „Nachtcafé“ könnte ein Thema wie das am Freitag unter dem Gesichtspunkt der Neutralität beleuchten. Dass jedoch genau das Gegenteil eintrat, grenzte für mein Gefühl geradezu an bewusste Richtungslenkung, wenn nicht gar an Manipulation. Den Zuschauern blieb meinem Empfinden nach bewusst die Möglichkeit verwehrt, sich eine eigene Meinung über die Thematik des „Übersinnlichen“ zu bilden.

 

Ganz abgesehen davon, dass der Begriff „Esoterik“ und „Spiritualität“ in einem Atemzug genannt wurden, ohne jeweils näher definiert zu werden, waren es vor allem die allzu dramatischen Schicksale der Talkgäste, die der ganzen Thematik eine durch und durch negative Markierung verliehen.

 

Bereits in der Vorstellungsrunde der einzelnen Gesprächsteilnehmer wurde deutlich, was sie alle miteinander verband und was sie letztlich so kläglich hat scheitern lassen:

 

Sie alle waren auf der Suche nach etwas, was außerhalb ihrer Selbst lag, was jedoch ihr Inneres heilen sollte. Sie alle wollten eine Patentlösung für ihre Probleme und das bitte möglichst schnell und ganz wichtig, ohne dabei selbst aktiv sein zu müssen.

 

Es nimmt mich keineswegs Wunder, dass diese Menschen nicht fanden, wonach sie sich so sehr sehnten - und dass sie letztlich sogar durch und durch enttäuscht wurden, war aus meiner Sicht geradezu vorprogrammiert.

 

Zunächst einmal erscheint es mir wichtig, kurz die Unterscheidung der Begrifflichkeiten zu klären:

 

Bei der „Esoterik“ handelt es sich um eine Bezeichnung, deren Definition die Mystik und das Geheimnisvolle beinhaltet. Es wird hier von Lehren gesprochen, die der Allgemeinheit unzugänglich bleiben und dadurch eine unwirkliche Komponente innehaben. „Esoteriker“ sehen sich gerne als etwas Besonderes, als irgendeine Art Auserwählte oder Eingeweihte.

 

„Spiritualität“ meint das Wissen um einen höheren Sinn und das Streben danach, diesen Sinn für sich zu entdecken und dementsprechend sein Leben auszurichten. Es handelt sich hierbei nicht um DEN EINEN HÖHEREN SINN - ganz im Gegenteil. Viel eher geht es darum, sein eigenes Wesen als etwas zu entdecken, das nicht an etwas Vorgegebenes geknüpft ist. Ganz banal ausgedrückt, könnte man auch einfach sagen, dass der erste Schritt hinein in die Spiritualität dadurch gekennzeichnet ist, dass wir die Wirklichkeit, wie sie durch unsere vergangenen Erfahrungen aufgebaut wurde, in Frage stellen und somit unseren Geist (Verstand) erweitern.

 

Ich habe mir zu früheren Zeiten nie wirklich Gedanken über den Begriff „Esoterik“ gemacht, daher fand sie in meinem Wortschatz kaum Gebrauch. Auch hätte ich mich selbst nicht unbedingt als spirituell bezeichnet, jedoch scheint dieses Wort eben so ziemlich genau meine Lebensweise auf den Punkt zu bringen.

 

Nun, da die Begrifflichkeiten soweit geklärt sind, möchte ich gerne von den potentiellen Gefahren des „Übersinnlichen“ sprechen, die auch im „Nachtcafé“ genannt wurden.

 

Wie ich vorhin schon erwähnte, war allen Talkgästen gemein, dass sie auf der Suche nach etwas waren, das außerhalb ihrer Selbst lag und dieses Etwas sollte ihr Leben so schnell und unkompliziert wie möglich verändern. Eigeninitiative bitte nur dann, wenn unbedingt nötig!

 

Ich habe diese Erfahrung selbst schon gemacht, sowohl als Suchende als auch als Beraterin.

 

Hin und wieder sind wir so verzweifelt, dass wir den Überblick verlieren und dabei vollkommen vergessen, dass alle Antworten, die wir so dringend benötigen, einzig in uns selbst verborgen liegen. Wir brauchen dann eine Art Anleitung, einen Fahrplan, einen Wegweiser oder was auch immer.

 

An dieser Stelle entscheidet sich, ob wir uns in die Fremdbestimmung oder in die Selbstbestimmung begeben.

 

Wenn wir uns in die Fremdbestimmung begeben, dann bedeutet dies gleichzeitig, dass wir Kontrolle abgeben, um noch mehr Kontrolle zu erhalten.

 

Klingt unlogisch oder gar paradox? Oh ja! Und genau darin liegt die Falle versteckt. Der Mensch mit all seinen wunderbaren und oftmals noch unentdeckten Fähigkeiten strebt immerzu nach Kontrolle. Solange er alles kontrollieren kann, hat er das Gefühl, sich in Sicherheit zu bewegen. Selbst dann, wenn wir glauben, keine Kontrolle walten zu lassen, können wir uns dabei erwischen, wie wir immer wieder in diese Falle treten bzw. schon so tief in ihr feststecken, dass wir uns dessen selten bewusst sind, geschweige denn uns daraus befreien können.

 

Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

 

Noch vor einigen Jahren habe ich (intensiver als heute) Tarot-Karten für bestimmte Fragen herangezogen. Sie sind ein wunderbares Mittel, um vergangene, aktuelle oder potentielle zukünftige Energien sichtbar zu machen.

 

Ein Grund dafür, warum ich diese Art der Energieanzeige nicht in meinem Angebot aufgenommen habe, liegt darin, dass ich immer wieder feststellen musste, dass die Fragenden nicht wirklich an einer selbstbestimmten Lösung interessiert sind, sondern innerhalb einer Stunde ihre gesamte Zukunft erfahren wollen (- als ob das möglich wäre). Sie möchten meistens wissen, ob sie endlich bald das bekommen werden, was sie sich wünschen - und das, obwohl sie in den meisten Fällen gar nicht wirklich wissen, was sie sich wünschen. Meistens sind es auch Menschen, die gar nicht an der Frage interessiert sind, was SIE JETZT Gutes für sich und ihr Leben machen könnten. Viel interessanter für sie ist, was ihr Schwarm, ihr Partner, ihr Chef oder sonst wer glaubt, denkt, fühlt und tun wird, damit sie anschließend ihr eigenes Verhalten an diese Aussage anpassen und und nach ihr ausrichten können. Warum? Na, um dann schließlich das zu bekommen, wovon sie glauben, dass es ihr Leben verbessern würde.

 

Kontrolle abgeben, um noch mehr Kontrolle zu erhalten. Der Kreis schließt sich.

 

Diese Erfahrung habe ich nicht nur als Ratgebende, sondern auch als Ratsuchende gemacht. Beispielsweise war ich vor einigen Jahren bei einer Hexe (ja, es gibt sie wirklich! :) ) und hatte mir erhofft, nun endlich die Antworten zu bekommen, nach denen ich schon mein halbes Leben lang gesucht hatte. Sie zückte die Karten, beschrieb mir meine Vergangenheit, sprach von der Gegenwart und erwähnte die Zukunft – all das auf eine verblüffend genaue Art und Weise. Ich war damals betrübt vor Liebeskummer und stand vor Herausforderungen und Entscheidungen, die mich durch und durch verunsicherten.

 

Doch anstatt mir die Kontrolle abzunehmen, um sie mir anschließend in vermeintlich doppelter Ausführung wieder zurückzugeben, hat mich diese Hexe an Antworten herangeführt, die nirgendwo anders zu finden waren als in mir selbst. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt das erste Mal in Erwägung gezogen, dass Kontrolle nichts ist, was mir Kraft gibt, sondern mich langsam und stetig aushöhlt. Und dennoch war ich zunächst nicht befriedigt. Nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen zu begreifen, dass alles, was wir brauchen, IN uns verborgen liegt, war nichts, was ich von jetzt auf nachher erfuhr. Und selbst heute trete ich hin und wieder in die Falle der Fremdbestimmung, auch wenn ich mich meist noch im selbem Moment wieder daraus zu befreien weiß.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass es da draußen zig Menschen gibt, die uns für viel Geld Antworten und Patentlösungen versprechen (sog. Scharlatane), kann ich möglicherweise von „Glück“ sprechen, dass ich damals bei einer Frau gelandet bin, die verstanden hat, worum es im Leben tatsächlich geht, nämlich um die Selbstbestimmung.

 

Wie in jedem anderen Dienstleistungsbereich besteht auch im Bereich des „Übersinnlichen“ das Risiko, dass wir an jemanden geraten können, der seine Energie aus der Manipulation seines Gegenübers bezieht und sich dadurch auf verschiedenen Ebenen bereichern möchte.

 

Dieses Phänomen findet sich vor allem in der Verkaufsindustrie, in den öffentlichen Medien oder in der Pharmaindustrie (um nur wenige aber eindrückliche Beispiele zu erwähnen). Offenkundig gehören zu diesem „Spiel“ immer beide Seiten: Der Dienstleister und derjenige, der diesen Dienst in Anspruch nehmen möchte.

 

Wenn wir uns diese Fakten mal genauer ansehen, werden viele von uns feststellen, dass der Großteil der Menschheit sich in nahezu jedem Lebensbereich lenken und täuschen lässt.

 

Doch katastrophal und unerhört scheint es erst dann zu werden, wenn wir uns im Bereich des „Übersinnlichen“ bewegen. Selbst dann, wenn wir geradezu getäuscht werden wollen (das kommt öfter vor, als man annehmen mag), bewegen wir uns Bereich des Skandalösen, wenn wir letztlich nicht das bekommen, was uns zu Beginn noch versprochen wurde.

 

Wenn es darum geht, dass wir uns beispielsweise ein viel zu teures und qualitativ minderwertiges Abo von was auch immer haben aufschwatzen lassen, dann ist das zwar nicht in Ordnung, aber letztlich zu verkraften. Wir werden nicht grundsätzlich das Konzept „Abo“ verteufeln, auch wenn wir von nun an etwas vorsichtiger sind und nicht gleich alles glauben werden, was uns versprochen wird.

 

Doch was passiert, wenn wir im Bereich des „Übersinnlichen“ (scheinbar) fehlgeleitet bzw. enttäuscht werden? Und wann bzw. womit beginnt überhaupt diese Ent-Täuschung? Handelt es sich möglicherweise um unerfüllte Erwartungen? Falls ja, stellt sich die Frage, was Erwartungen beinhalten und wohin sie führen. Enttäuschungen sind das Aufdecken von Illusionen, für die wir immer und ausnahmslos mitverantwortlich sind.

 

Eine Illusion braucht einen Träger und dieser Träger sind wir. Erwartungen wiederum kommen Illusionen gleich.

 

Worauf möchte ich wohl hinaus?

 

Es ist offensichtlich etwas zu einfach gedacht, wenn wir behaupten, dass die bösen Scharlatane (in welchem Bereich auch immer) eine Gefahr für uns darstellen. Gefährlich wird es erst dann wenn wir Kontrolle abgeben, um mehr Kontrolle zu erhalten und heikel wird es immer, wenn wir aufhören, selbst zu reflektieren. Ich spreche hier allerdings nicht von Skepsis, sondern schlicht und einfach von der Selbstbestimmung. Daher war es womöglich doch kein „Glück“, dass ich damals an die „richtige Hexe“ geriet, sondern lediglich eine Tatsache, dass ich mich tief in meinem Herzen schon damals für ein selbstbestimmtes Leben entschieden hatte. Was wir ausstrahlen, ziehen wir an. Was wir suchen, findet uns.

 

Die Tatsache, dass ein selbstbestimmtes Leben mitunter anstrengend sein kann, habe ich bereits in meinem letzten Blogeintrag beleuchtet (Opferitis Humana – nörgelst du noch oder lebst du schon?). Daher ist es nicht allzu verwunderlich, dass viele Menschen dazu neigen, sich bewusst und unbewusst nach einem äußeren Plan zu orientieren, der keine wirkliche Verbindung zu ihrem Inneren hat und somit auch nicht zielführend ist.

 

Wie in jedem anderen Lebensbereich haben wir also auch dann die Wahl, wenn wir uns dem „Übersinnlichen“ zuwenden. Vielleicht sollten wir gerade dann mehr denn je unsere Entscheidungsfreiheit erkennen, denn „Übersinnlichkeit“ im wahrsten Sinne des Wortes impliziert immer auch eine Erweiterung unseres begrenzten Verstandes.

 

Welche Erfahrungen hast du bisher in diesen Bereichen gemacht? Gab es bei dir irgendwelche Schlüsselmomente, in denen du dich dem "Übersinnlichen" hingewendet oder gar abgewendet hast? Ich freue mich, von dir zu lesen - öffentlich in einem Kommentar oder auch gerne via Email an hallo@sofia-christodoulou.de

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